Manifesta 16 Ruhr gibt ihr Konzeptframework und Künstlerisches Team bekannt, das sich auf die Neunutzung der bedeutenden Nachkriegskirchen der Region konzentriert, um neue Formen von Gemeinschaft und kulturellem Dialog zu fördern.
Die Manifesta 16 Ruhr, die 2026 stattfinden wird, wird sich auf den historischen architektonischen und sozialen Wiederaufbau konzentrieren, der in der Nachkriegszeit des Ruhrgebiets stattfand. Diese Zeit war geprägt vom Bau modernistischer und brutalistischer Kirchen, die errichtet wurden, um den dringenden Bedarf an Wiederaufbau und rapidem Bevölkerungswachstum zu decken. Die Kirchen wurden zu einem kraftvollen neuen Symbol der Demokratie und veranschaulichten das bürgerschaftliche Engagement, da sie mit der physischen Arbeitskraft der lokalen Gemeinschaften erbaut wurden.
Obwohl diese Nachkriegskirchen ein bedeutendes architektonisches Erbe hinterlassen haben, hat ein Rückgang der Kirchenbesuche in den letzten 30 Jahren dazu geführt, dass viele von ihnen verlassen oder ungenutzt sind. Das Schicksal dieser Kirchen – ob sie abgerissen, umgenutzt oder dem Verfall preisgegeben werden – erfordert dringend Aufmerksamkeit.
Künstlerisches Team & Konzeptframework der Manifesta 16 Ruhr
In diesem historisch und räumlich vielschichtigen Kontext positioniert sich die Manifesta 16 Ruhr – nicht nur als Kunstbiennale, die einige Ausstellungen kuratiert, sondern als Inkubator des Wandels und als transdisziplinärer Mechanismus für urbane und kulturelle Reaktivierung.
Wir sind stolz, das Künstlerische Team der Manifesta 16 Ruhr vorzustellen. Gemeinsam werden diese Fachleute Nachkriegskirchen im gesamten Ruhrgebiet zu Orten der Kunst, der Solidarität und neuer Formen kollektiver Imagination transformieren. Für die Manifesta 16 Ruhr haben wir ein generationenübergreifendes und interdisziplinäres Künstlerisches Team gewählt.
Josep Bohigas, renommierter, in Barcelona ansässiger Architekt und Urbanist, ist der erste Creative Mediator. Bekannt dafür, öffentlichen Raum und Wohnraum neu zu denken, gestaltet er die Urban Vision für die Manifesta 16 Ruhr und wird in zwei Kirchen arbeiten. Gürsoy Doğtaş, Kurator und Kunsthistoriker, bekannt für seine Arbeit an den Schnittstellen von Institutionskritik, strukturellem Rassismus und Queer Studies, wird das öffentliche Programm entwickeln und Werke für drei Kirchen in Gelsenkirchen in Auftrag geben.
Das Team besteht auch aus einer generationenübergreifenden Gruppe, die in drei Tandems arbeitet. In Essen arbeitet der deutsche René Block, wegweisender Kurator der Fluxus-Bewegung, im Tandem mit Leonie Herweg, einer in Berlin ansässigen Kuratorin und Mitbegründerin von GROTTO. In Bochum partnerschaftet Anda Rottenberg, eine der einflussreichsten Kuratorinnen Polens und ehemalige Direktorin der Zachęta Nationalgalerie, mit Krzysztof Kosciuczuk, Kurator und Autor mit Erfahrung von der documenta 14 bis zum Muzeum Susch und regelmäßigem Beitragenden für Frieze und Artforum. In Duisburg und Gelsenkirchen arbeitet Henry Meyric Hughes, einer der erfahrensten Kuratoren Europas und ehemaliger Leiter der Abteilung Bildende Kunst des British Council und Direktor der Hayward Gallery in London, mit Michael Kurtz, einem britischen Kritiker und Kurator, der für Art Monthly, e-flux und ArtReview schreibt.
Ihr kreatives künstlerisches Engagement mit diesen Kirchen wird sich durch drei konzeptionelle Linse entfalten: Proximity, Transformation und Curation als eine Form geopolitischer Untersuchung. Die Idee von Proximity wird nicht nur räumlich verstanden, sondern auch als politischer und sozialer Zustand – der die Intimität nachbarschaftlicher Beziehungen, die Solidaritäten der Fürsorge und die gemeinsamen Zeitlichkeiten des lokalen Lebens umfasst. Das Projekt versucht, diese Nähen „aufzudecken“, indem es informelle Netzwerke und alltägliche Solidaritäten aktiviert, die trotz urbaner Fragmentierung bestehen. Es geht nicht darum, die Nachbarschaft zu romantisieren, sondern sie als einen gemeinschaftlichen Raum der Handlungsfähigkeit in einem Zeitalter der Entfremdung zurückzugewinnen.
Transformation bezieht sich auf die potenzielle Neudefinition des öffentlichen Raums durch Experimente, die testen, wie diese verlassenen Räume transformiert werden können und wie etwas Bedeutungsvolles und Relevantes geschaffen werden kann. Die Manifesta 16 Ruhr zielt nicht darauf ab, diese ehemaligen Kirchen zu monumentalisiere oder sie als bloße Kulturerbestätten wiederherzustellen. Stattdessen werden die Creative Mediators untersuchen und fragen, wie diese Strukturen als offene, partizipative Plattformen – als Räume des bürgerschaftlichen Engagements, des interkulturellen Dialogs und des kollektiven Schaffens – neu gedacht werden könnten. Interdisziplinäre künstlerische Praktiken sind in diesem Transformationsprozess entscheidend und werden über einfache Ausstellungsmodelle hinaus operieren. Diese Kirchen sollen als temporäre ziviale Ankerpunkte fungieren, die einen neuen Rhythmus des Zusammenlebens bieten können.
Schließlich antwortet die Vorstellung von Curation als eine Form geopolitischer Untersuchung auf die breitere Geschichte der Biennale selbst: vom Moment des Optimismus im Kalten Krieg und der europäischen Integration bis zur aktuellen Ära der Polykrisen, vom Klimawandel und Desinformation bis zum rising Populism und einer illegalen Invasion auf dem europäischen Kontinent. Während Europa mit den Brüchen seiner Vergangenheit und den Unsicherheiten seiner Zukunft konfrontiert ist, bietet das Ruhrgebiet – fragmentiert, divers und im Fluss – eine kraftvolle Bühne für kulturelle Experimente.
Die Manifesta 16 Ruhr schlägt keine einheitliche künstlerische These vor, sondern eine Konstellation von Untersuchungen. Sie fragt, wie die räumlichen Hinterlassenschaften des Industrialismus und des institutionellen Rückzugs für neue Formen des kollektiven Lebens neu genutzt werden können. Sie fragt, wie Erinnerung, besonders die in Architektur eingeschriebene, mobilisiert werden kann, nicht um Identität festzuschreiben, sondern um sie zu verstören und zu erweitern. Sie fragt, welche Arten von Institutionen, Ritualen und Solidaritäten in den Ruinen der Moderne noch möglich sind und wie Kultur zur Neuerfindung der Region beitragen könnte.